Straftaten in Essen und Dresden

Zwei brutale Angriffe auf deutsche Politiker: Welche Antworten nun dringend nötig sind

Harald Baumer

Korrespondent Berlin

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5.5.2024, 13:26 Uhr
Der sächsische SPD-Spitzenkandidat zur Europawahl, Matthias Ecke, ist beim Plakatieren im Dresdner Stadtteil Striesen angegriffen und schwer verletzt worden.

© Robert Michael/dpa Der sächsische SPD-Spitzenkandidat zur Europawahl, Matthias Ecke, ist beim Plakatieren im Dresdner Stadtteil Striesen angegriffen und schwer verletzt worden.

Ein Bürgermeister erhält in Essen auf offener Straße einen Schlag ins Gesicht. Ein Europa-Spitzenkandidat wird in Dresden so schwer angegriffen, dass er sofort operiert werden muss. Zwei brutale Straftaten, die sich kurz nacheinander gegen Politiker in Deutschland richteten. Sie zeigen: Wir haben inzwischen ein dramatisches Problem mit unserer politischen Kultur.

Auch wenn es einschlägig bekannte Täter gewesen sein sollten, die bereits andere Delikte begangen haben, kann man jetzt nicht einfach sagen, da hat eben ein unverbesserliches "Pack" zugeschlagen, wie es der frühere SPD-Chef Sigmar Gabriel mal tat. Solchen Übergriffen geht in aller Regel eine gedankliche Verrohung voraus, die leider weit über die Befindlichkeiten der konkreten Schläger vor Ort hinausweist.

Strafen alleine reichen nicht

Eine harte Bestrafung, die hoffentlich zügig erfolgen kann, wird zwar die Täter für einige Zeit aus dem Verkehr ziehen, aber das gesellschaftliche Problem hat sich damit nicht erledigt. Man muss sich nur mal anhören, wie manche Menschen inzwischen ziemlich ungeniert über Politikerinnen und Politiker reden - in der Straßenbahn, am Rande öffentlicher Auftritte, in der Sauna, in den sozialen Netzwerken.

Nicht nur, dass die Betroffenen als unfähig und faul, manchmal auch als korrupt bezeichnet werden. Schon das trifft ja bis auf wenige Ausnahmen nicht zu, wird aber trotzdem immer weiter behauptet. Nein, es sind auch beängstigende Gewaltphantasien, die zum Ausdruck kommen. Galgen für die Ampel-Regierungsmitglieder am Rande von Demonstrationen sind da ein überdeutliches Symbol.

Die polizeiliche Verfolgung und die gerichtliche Bestrafung von übler Nachrede und Körperverletzung wird das Problem alleine nicht lösen. Auch wenn es höchste Zeit ist für abschreckende Urteile. Aber das Gift in den Köpfen, das sich lange vorher festsetzt und gar nicht immer zwingend zu Taten führen muss, ist nicht mit staatlichen Ordnungsmitteln zu beseitigen.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Gehring und sein Parteikollege Fliß waren nach eigenen Angaben in Essen nach einer Parteiveranstaltung attackiert worden. Foto: Roland Weihrauch/dpa

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Gehring und sein Parteikollege Fliß waren nach eigenen Angaben in Essen nach einer Parteiveranstaltung attackiert worden. Foto: Roland Weihrauch/dpa © Roland Weihrauch/Roland Weihrauch/dpa

Was jeder von uns tun kann, ist gar nicht so schwer: Wenn ein Gespräch im Bekanntenkreis wieder mal von der Unfähigkeit der Politik - sei es des linken, sei es des konservativen Lagers - die Rede ist, sollten wir darauf hinweisen, dass der weitaus größte Teil der Akteure mit besten Absichten handelt. Wenn auch vielleicht trotzdem nicht "richtig" in unserem Sinne.

Die Mehrheitsgesellschaft hat viele Möglichkeiten, sich zu Wort zu melden - die großen Demos gegen den Rechtsextremismus waren ein gutes Zeichen. Auch das Kreuz auf dem Wahlzettel gehört dazu. Heuer hat jede(r) Deutsche mindestens einmal die Chance, bei der Europawahl im Juni, diejenigen zu unterstützen, die für einen halbwegs verträglichen politischen Umgang miteinander stehen. Die Politiker selbst, soweit keine Extremisten, müssen in Zukunft noch besser überlegen, was sie übereinander sagen. Die anderen sind nämlich keine Feinde, sondern Mitbewerber oder höchstens noch Gegner.

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